Der Zauberwürfel im Eisbad
2 Minuten zwischen Fokus und Frost
Als Kind habe ich den Zauberwürfel nie gelöst. Es war im Grunde unmöglich... Ich erinnere mich noch genau, wie ich irgendwann aus purer Verzweiflung die kleinen farbigen Aufkleber abknibbelte – und sie wieder so ankleben wollte, dass der Würfel „gelöst“ aussah. Das war damals meine kindliche Art, Erfolg zu simulieren. (Das Bild ist mit Ki erstellt... der Moment war mir damals wohl zu peinlich um ihn bildlich festzuhalten)
Im November 2024 kam mir dann die Idee: Wenn ich ihn noch einmal anpacke, dann richtig. Kein Trick, kein Schummeln, kein Kleben. Ich wollte verstehen, wie dieser Würfel funktioniert – und ob ich ihn auch dann noch lösen kann, wenn alles in mir schreit: „Gib auf.“
Und genau da kam sie ins Spiel: die Regentonne. 510 Liter aus dem Baumarkt, eigentlich völlig unspektakulär. Zufällig stand eine alte Poolleiter daneben – und schwupp: die Idee war geboren. Keine Ahnung, ob das funktionieren kann, aber zum Ausprobieren reicht’s.
Ich begann zu trainieren: erst die Logik, dann die Geschwindigkeit, dann die Ruhe unter Druck.
Ich übte beim Laufen, auf dem Trampolin, kopfüber auf dem Kinderspielplatz, barfuß auf Lego und mit Leberwurst an den Händen um unsere Hündn anzulocken.
Ich wollte, dass meine Hände funktionieren, auch wenn der Kopf total abgelenkt ist. Jede Einheit war ein kleines mentales Experiment: Wie klar kann ich bleiben, wenn der Körper probleme macht?
Der Termin stand fest: 12. Januar 2025. Mein persönlicher Tag X. Draußen minus zwei Grad. Die Regentonne stand im Garten, gefüllt und gefroren. Ich wusste: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ziel: den Rubik’s Cube komplett lösen, unter Wasser, mit eiskalten Händen. Im Vorfeld habe ich mich selbst über Instagram noch schön unter Druck gesetzt: es wird ein "One-Shot" - entweder es klappt, oder nicht.
Ich stieg hinein, erst bis zur Hüfte, dann ganz. Nur der Kopf ragte noch heraus. Der Körper reagierte sofort: Schock, flache Atmung, Zittern. Nach rund einer Minute ist das keine Kälte mehr – es ist purer Widerstand in den Fingern und Handgelenken. Jeder zusätzliche Dreh wurde riskanter, jede Sekunde zählte. Ich wusste: Ich habe höchstens zwei Minuten, bevor die Feinmotorik versagt. Also blieb nur eins – ruhig bleiben, Bewegungen abrufen, Muster erkennen. Keine Ablenkung durch Kälte, Schmerz oder Konsequenzen eines Fehlgriffes – nur die reine Konzentration auf den Würfel.
Nach 1 Minute 56 Sekunden war er gelöst. Dann kam das Brennen. Hände gefühllos, Haut rot, Puls hoch – aber in mir war Ruhe. Ich hatte es geschafft. Nicht, weil ich kälteresistent bin, sondern weil ich vorbereitet war. Die Regentonne wurde zu meinem Labor für Nervenstärke: zwei Minuten, ein Ziel, kein Spielraum für Zweifel. Sie zeigte mir, dass mentale Klarheit körperliche Grenzen verschiebt – und dass der entscheidende Moment immer im Kopf entsteht.
Jetzt heißt es: auftauen, regenerieren – und abwarten, welches Experiment als Nächstes ruft. Erfahrungsgemäß dauert das bei mir nicht lang.
Detaillierte Infos zu diesem Projekt findest Du auf meinem Instagram-Account: @tilovslimits
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