Die 24 Stunden von Le Mans - auf Inline skates
Vom Hitzschlag in den Flow - eine Fahrt durch 276 km Willenskraft
Alles begann damit, dass ChatGPT mich auf diese verrückte Idee brachte: Ich war gerade mit meiner „Zauberwürfel-im-Eisbad“-Challenge durch und suchte nach dem nächsten Abenteuer. „Wie wäre es mit Le Mans?“, schlug die KI vor – und ich war sofort schockverliebt. Ohne groß zu überlegen meldete ich mich an. Passiert mir manchmal … und meistens wird’s dann legendär.
Von da an hieß es: Skates kaufen, sieben Monate Training. Meist im Park links der Weser oder im Bremer Blockland, Runden drehen, Technik feilen, Ernährung testen. Ich wollte wissen, wie weit ich gehen kann – oder besser: rollen.
Am 12. Juli 2025 um 16:00 Uhr fiel der Startschuss auf dem legendären Bugatti-Circuit in Le Mans. Wie bei den Motorsportlern auch wird der Circuit 24 Stunden lang befahren, dann wird die letzte angebrochene Runde noch beendet. Und wer am meisten Runden geschafft hat, gewinnt.
Die allermeisten der knapp 6000 Teilnehmer starten in Teams von 10 Leuten als Staffel. In diesem Jahr waren neben mir noch weitere 89 Solostarter mit im Rennen. Dumm nur, dass der Sommer 2025 in Frankreich von einer enormen Hitzewelle geprägt wurde.
34 Grad im Schatten – und Schatten gab es keinen. Schon in den ersten Stunden brachen viele Fahrer mit Hitzschlag ab. Mein Körper war nicht begeistert von der Idee, 24 Stunden durchzuhalten: Muskelkrämpfe, Übelkeit, Schwächegefühl, kurzzeitig Hörverlust auf einem Ohr.
Mein Team in der Boxengasse – Andre und Dominik – blieb ruhig. Wir entschieden, nicht zum Rennarzt zu gehen, weil der mich sonst aus dem Rennen genommen hätte. Stattdessen: 50 Minuten Pause, eine winzige Schattenstelle, Atmen, Trinken, Sortieren. Und dann, leicht erholt: weiterfahren.
Dann kam die Nacht. Die Temperaturen fielen auf angenehme 26 Grad, die Strecke lag im Dunkel, und plötzlich war er da – dieser magische Zustand, in dem alles läuft. Runde um Runde, wie im Flow. Der Moment, in dem man nicht mehr denkt, sondern einfach fährt. Weiter und weiter. In der Nacht habe ich mich von Platz 59 auf Platz 26 vorangekämpft. Das war die stärkste Phase meines Rennens. Gefühlt ohne Anstrengung, einfach durch den Flow.
Der Sonnenaufgang am Dunlop Hill war für mich das emotionale Highlight. Nach über 15 Stunden auf den Skates stehst Du oben, sieht die Sonne aufgehen, und spürst: Dafür bist du hier.
Es lagen noch neun Stunden vor mir, aber der Kopf war klar. Ich fuhr weiter, ließ die Hitze kommen an mir abprallen, und rollte nach genau 24 Stunden über die Zielgerade – 66 Runden, 276 km. Platz 25 von knapp 100 Solofahrern.
Was mich durchgebracht hat, waren am Ende nicht Kraft oder Ausdauer, sondern Gedanken.
Ich hatte an meinen Handschonern kleine Klettstreifen, jeder stand für eine mentale Phase des Rennens. Immer wenn ich den Klett wechselte, änderte sich auch mein innerer Modus.
Das war kein Zufall, sondern Vorbereitung – mentale Klarheit in greifbarer Form.
Diese Methode hat mich aus dem Hitzeschock zurück in die Spur gebracht.
Le Mans war mehr als ein Rennen. Es war eines meiner Labore für Nervenstärke – 24 Stunden zwischen Selbstzweifel und Selbststeuerung.
Und genau das ist es, worum es mir geht: zu zeigen, dass Nervenstärke kein Talent ist, sondern ein Training.
Jetzt ist erstmal Zeit, durchzuatmen, das Erlebte zu sortieren und die Muskeln regenerieren zu lassen.
Aber ich kenne mich: Die Ruhe hält nie lange. Irgendwo da draußen wartet schon das nächste verrückte Projekt. Und wenn es mich ruft – dann bin ich wieder unterwegs.
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