"Extrem Extrem" - Ultrawanderung im Sauerland

156 km durch Sturm, Schmerz und Stille

22. Juni 2023, 18 Uhr – Diemelsee, Sauerland.

Ich nehme an einem knüppelharten Wanderevent teil: "extrem-extrem". Der Name ist Programm: vor mir liegen 156 Kilometer zu Fuß, ein einziges bergauf und bergrunter. Sauerland halt. Maximal 48 Stunden Zeit dafür. Ich will wissen, wie weit ich komme, wenn Körper und Geist sich einig sind: Jetzt ist Schluss.

Etwa zwei Stunden nach dem Start zieht ein Unwetter auf, das halb Deutschland lahmlegt.
Ich steige den Eisenberg hinauf – ein schmaler Feldweg, rechts und links dichter Wald. Über mir Blitze, unter meinen Füßen verwandelt sich der Weg in einen Fluss.
Und ich mittendrin – mit einem knallgelben Regenschirm, der in einem Gewitter ungefähr so sinnvoll ist wie Flip-Flops im Schnee.
Plötzlich ist kein anderer Wanderer mehr in Sicht und ich muss lachen – absurd, weil der Moment echt gefährlich ist, und ich trotzdem weitergehe. 

Nach dem Sturm beruhigt sich das Wetter, aber die Strecke bleibt hart. Die Nacht bricht herein, das Feld der Teilnehmer zieht sich auseinander.
Ich bin allein, Schritt für Schritt, Stunde um Stunde. Auch weite Teile des nächsten Tages über. Ich sehe mit Abstand mehr umgewehte Bäume als mitstreitende Wanderer.
Hundert Kilometer sind lang, wenn man niemanden zum Reden hat.
Der Kopf will aufgeben, die Beine wollen schlafen.
Nur der Wille bleibt – und die leise Stimme im Hinterkopf:
Weiter. Einfach weiter.

Irgendwann treffe ich Frank.
Wir kommen ins Gespräch – zwei Fremde, beide Polizisten.
Er erzählt, dass er im Jahr zuvor bei dieser Wanderung zehn Kilometer vor dem Ziel aufgeben musste – völlig entkräftet. Zehn lausige Kilometer, die einfach nicht mehr möglich waren.
Er sagt: „Diesmal will ich ankommen.“
Ich sehe ihn an und sage nur: „Dann kommen wir an.“
Kein großer Moment, kein Handschlag – aber ein Versprechen.
Von da an sind wir Brüder im Geiste.

Die zweite Nacht wird zäh.
Mein rechtes Schienbein brennt bei jedem Abstieg, Franks Rücken macht dicht. Wir humpeln, fluchen, lachen.
An einem Verpflegungspunkt schaut Frank mich an und sagt:
„Du siehst aus wie ein Zombie.“
Ich nicke. Stimmt.
Aber ich habe noch nie einen Zombie aufgeben sehen.
Die machen weiter – bis zum Schluss.
Und so tun wir’s auch.

Als die Sonne wieder aufgeht, ist der Schmerz das Einzige, was noch da ist – aber auch das Letzte, was uns aufhält.
Wir gehen weiter, nebeneinander, bis das Ziel näherkommt.
Dann fotografieren wir uns gegenseitig unter dem Zielbogen – jeder in seinem Moment, beide am Ende derselben Geschichte.
Im Ziel ist da kein Jubel. Nur Stille, Erleichterung, Stolz – und tiefe Dankbarkeit.
Wir wussten beide: Ohne den anderen hätte es nicht geklappt.

PRESSEBERICHTE:

Detaillierte Infos zu diesem Projekt findest Du auf meinem Instagram-Account: @tilovslimits
oder auf meinem Youtube-Kanal: @tilokoch

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